Am 1. Advent 2018 wurde EKD-weit die neue „Ordnung gottesdienstlicher Texte und Lieder“ (OGTL) in Kraft gesetzt. In ihr ist geregelt, welche Texte aus der Bibel an einem bestimmten Sonn- oder Festtag im Gottesdienst gelesen werden und welche Texte Grundlage der Predigt sind. Außerdem sind jedem Sonn- und Festtag zwei Lieder zugeordnet, die in einem besonderen Zusammenhang mit den jeweiligen biblischen Texten stehen, sowie ein Gebetspsalm, ein Bibelvers als geistliches Leitmotiv für die Woche oder den Tag („Spruch der Woche bzw. des Tages“) und ein Bibelvers als Zwischengesang zum Halleluja-Ruf.
Mit der Einführung der neuen Ordnung soll im Kirchenjahr 2018/2019 Texte der Reihe I als Predigttexte im Gottesdienst zugrunde gelegt werden.
Eine moderate Überarbeitung nach gut 40 Jahren
Die neue Ordnung löst die „Ordnung der Lesungen und Predigttexte“ ab, die seit dem 1. Sonntag im Advent 1978 in Geltung war und anlässlich der Einführung der „Evangelischen Gottesdienstbuches“ 1999 wenige geringfügige Veränderungen erfahren hatte.
Sie umfasst mehr alttestamentliche Texte als ihre Vorgängerin und bietet eine größere Vielfalt von biblischen Büchern und Themen. Künftig stehen für jede Woche und jeden Festtag zwei Lieder der Woche bzw. des Tages zur Auswahl, darunter auch Liedgut aus neueren Gesangbüchern. Gewachsen ist auch der Anteil an thematischen Textvorschlägen zu lebensweltlichen Anlässen.
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), die Union Evangelischer Kirchen in der EKD (UEK) und die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD) haben die bisherige Auswahl der Bibeltexte im gottesdienstlichen Gebrauch einige Jahre lang überarbeitet und den Entwurf nach einer einjährigen Erprobungszeit im Herbst 2017 verabschiedet.
Was ist neu?
Neben der größeren Zahl alttestamentlicher Texte, einer größeren Vielfalt von biblischen Büchern und Themen sowie einer Verdoppelung der Lieder für die Woche oder den Tag gibt es eine Reihe weiterer Neuerungen.
So wurde zum Beispiel der Umgang mit der in jedem Jahr – abhängig vom jeweiligen Ostertermin – schwankenden Zahl der Sonntage zwischen Epiphanias und dem ersten Sonntag der Passionszeit neu geregelt. Die Epiphaniaszeit endet jeweils mit der Woche, in der der 2. Februar, der Tag der Darstellung Jesu im Tempel (Lichtmess), liegt. Auf das Fest der Erscheinung des Herrn (Epiphanias) folgen nun in der Regel vier Sonntage nach Epiphanias; zwischen dem Letzten Sonntag nach Epiphanias und dem Beginn der Passionszeit liegen nun ein bis fünf Sonntage vor der Passionszeit. Sie werden rückwärts als 5., 4., 3. (= Septuagesimä), 2. (= Sexagesimä) und [1.] Sonntag vor der Passionszeit (= Estomihi) gezählt.
Weiter bietet die vorliegende Ordnung nun für die fünf Sonntage der Passionszeit je einen Abschnitt aus der Passionsgeschichte der Evangelien als Predigttext. Die Texte gehören unterschiedlichen Predigtjahrgängen an, können aber zu einer Predigtreihe verbunden werden.
Für den 10. Sonntag nach Trinitatis sind in Zukunft zwei alternative Proprien vorgesehen: eines, das der Freude der Christenheit am Judentum und der bleibenden Nähe von Kirche und Israel gewidmet ist (liturgische Farbe: grün), und ein anderes, wonach der Tag nach altem Herkommen als Gedenktag der Zerstörung Jerusalems begangen wird (liturgische Farbe: violett).
Ebenso hat der Letzte Sonntag des Kirchenjahres ein doppeltes Proprium, einerseits als Ewigkeitssonntag, an dem die Gemeinde auf die Wiederkunft Christi und das Leben im Reich Gottes vorausblickt, andererseits als Totensonntag (bisher: Gedenktag der Entschlafenen), der dem Gedenken an die Verstorbenen und dem Trost für die Trauernden gewidmet ist.
Veränderungen hat es auch bei den „unbeweglichen Festen und Gedenktagen der Kirche“ gegeben. Dort sind der 27. Januar als Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus und der 9. November als Tag des Gedenkens an die Novemberpogrome mit eigenen Proprien hinzugekommen. Auch die beiden populärsten Heiligen, Martin und Nikolaus, wurden in die Liste der Gedenktage aufgenommen: Bischof Martin von Tours am Martinstag, dem 11. November, und Bischof Nikolaus von Myra am Nikolaustag, dem 6. Dezember.
An die Stelle der Proprien zu den „Besonderen Tage und Anlässen“, dem dritten Teil der bisherigen Ordnung, sind nun die „Themenfelder“ getreten, in denen eine Fülle biblischer Texte zu Oberthemen und zugehörigen Stichworten angegeben werden. Diese Neuerung dient dem Anliegen, biblische Texte enger und vielfältiger auf die heutige Lebenswelt und ihre Herausforderungen beziehen zu können, als dies durch festgefügte Proprien mit einem kleinen Textbestand möglich wäre.
Hintergrund
Die Perikopenordnung hat eine hohe Dignität, auch weil sie Traditionen bewahrt, die bis in die Reformationszeit, teilweise sogar bis ins frühe Mittelalter zurückreichen. Wie tief sie im kirchlichen Leben verwurzelt ist, zeigt eine breit angelegte empirische Studie der Theologischen Fakultät Leipzig aus dem Jahr 2010, bei der Haupt- und Ehrenamtliche zur Perikopenordnung befragt wurden. Die Ergebnisse belegen einerseits deren erstaunlich hohe Bindungskraft. Fast zwei Drittel der Nutzer folgt den vorgegebenen Texten immer, nur 3 Prozent selten oder nie. Andererseits hält die überwiegende Mehrheit der Befragten keine umfassende Überarbeitung, sondern lediglich einige Verbesserungen für nötig. Fazit der Autoren der Studie: „Die Perikopenordnung gibt Verlässlichkeit und Sicherheit, was nicht bedeutet, dass die derzeitige Ordnung nicht an verschiedenen Stellen verändert werden kann – und aus Sicht vieler Befragter auch sollte“.
Quelle: kirchenjahr-evangelisch.de